Was in der Versorgung von Patienten mit Blutkrebs verbessert werden muss
Leukämie-Initiative Bonn
Wenn Menschen die Diagnose Blutkrebs erhalten, ändert sich ihr gesamtes Leben von einem auf dem anderen Moment. Neben der anstehenden Therapie müssen die Betroffenen mitunter schnell lernen, mit den Nebenwirkungen der Behandlung, den körperlichen Folgen und den psychosozialen Veränderungen umzugehen. Dabei brauchen sie Hilfe und Unterstützung in vielen Bereichen des Lebens. Darüber möchten wir in diesem Podcast mit Katja Martini, der Vorsitzenden der Leukämie-Initiative Bonn e.V. sprechen.
Die Leukämie-Initiative Bonn e.V. engagiert sich, um Patienten und Angehörigen bei der schwierigen Bewältigung der Erkrankung zu helfen. Sie bietet Begleitung und Unterstützung für Patienten und Angehörige durch unterschiedliche Angebote und Aktivitäten. Hierzu gehören verschiedene Therapieformen, Beratung und Aufklärung, um speziell die seelischen Nöte der Patienten zu lindern und den Gesundungsprozess zu unterstützen. Ziel ist es zudem, durch die Optimierung des Umfeldes auf der Station die Lebensqualität der Patienten verbessern. Gleichzeitig soll die Kommunikation zwischen Patienten, Angehörigen, Ärzten und dem Pflegeteam gestärkt und die Öffentlichkeit durch gemeinsame Veranstaltungen für dieses schwere Krankheitsbild sensibilisiert werden.
Wie hilft Ihr Verein Patienten und Angehörigen?
Katja Martini:
Ja, zunächst die Leukämie Initiative Bonn wurde 1989 gegründet mit dem Ziel, die Verbesserung der Alltagssituation der Patienten und ihrer Angehörigen während des langwierigen Krankenhausaufenthalts zu verbessern. Konkret begannen wir mit der Verbesserung der Ausstattung der Zimmer mit Fernsehern. Ein mobiles Röntgengerät wurde angeschafft und eine große Anzahl an kleineren Verbesserungen wurden erreicht.
Aber wir stellten immer mehr fest, dass es ganz wichtig war, dass die Patienten und ihre Angehörigen untereinander in Kommunikation traten während der Behandlung. Und dann begannen wir, einen Wintergarten an die Station anzubauen. Und in diesem wunderschönen Ambiente konnten die Patienten sitzen, miteinander reden, sich gegenseitig trösten, Hoffnung schmieden, Zuversicht bekommen. Und wir haben in dieser Zeit ein sogenanntes Patienten Angehörigen Café gegründet, das mittwochs und samstags nachmittags stattfindet, in dem die Patienten von uns betreut werden, mit leckerem Kaffee und Kuchen, aber das Wichtigste ist eigentlich die Kommunikation untereinander. Und das haben wir gespürt, war ein ganz wichtige Verbesserung.
Darüber hinaus haben wir im Laufe der Zeit gemerkt, dass die Angehörigen oft nicht wissen, wo sie übernachten können, wenn es dem Patienten schlecht geht. Und dann haben wir eine Angehörigenwohnung gekauft und haben diese Angehörigenwohnung sehr wohnlich ausgestattet.
Das nächste war dann im großen Ganzen, dass wir einen Kunsttherapeuten einstellten, der mit den Patienten malte. Auch Angehörige konnten daran teilnehmen – einen Gesprächstherapeuten einstellten, der sehr viel Zeit für die Patienten hat, der zuhören kann, der die Sorgen ernst nimmt, der einfach für die Patienten nachmittags da ist.
Und sehr früh haben wir gemerkt, dass unsere Patienten auch sich ein wenig betätigen sollten. Das heißt ein bisschen im sportlichen Bereich. Und da haben wir eine Feldenkrais-Therapeutin eingestellt, die also den mit dem Patienten sehr schön Übungen machte, so dass das Immunsystem angeregt wurde.
In Zeiten der Corona-Pandemie wurden viele Defizite im Gesundheitswesen sichtbar. Wie sieht es bei Krebspatienten aus? Mit welchen Problemen wurden die betroffenen Menschen konfrontiert?
Katja Martini:
Ich empfinde – und ich merke es ja auch bei den Patienten – diese Isolation und die damit verbundene Vereinsamung der Patienten verunsichert sie. Sie fühlen sich alleingelassen und auch die Angehörigen, die ja nicht mehr kommen konnten. Das ist ein ganz, ganz großes Problem dieser Pandemie gewesen und ganz besonders natürlich, wenn Patienten uns verlassen haben. Das hat uns alle sehr belastet und belastet uns auch noch.
Hat sich die Situation zwischenzeitlich etwas verbessert? Haben Sie Ihre Arbeit anpassen können?
Katja Martini:
Es ist etwas besser geworden. Ich muss dazu sagen, ein ganz großes Glück hatten wir, dass unsere Klinikleitung uns gestattet hat, dass unsere Musiktherapeutin und unser Gesprächstherapeut – alles unter den wichtigen Voraussetzung der Hygiene – die Patienten weiter besuchen konnten.
Es fängt sich jetzt ganz leicht an zu verbessern. Die Patienten dürfen wieder Besuch empfangen. Das ist natürlich alles geregelt. Dadurch spüren wir, dass Sie wieder mehr Mut fassen können.
Wie sieht die Versorgung der Betroffenen und ihrer Angehörigen heute aus? Gibt es Defizite?
Katja Martini:
Ja, das sehe ich ganz deutlich, dass die Betreuung durch Psychoonkologen, die bei uns in der Klinik da ist, aber sobald die Patienten dann eben zu Hause sind, dass diese Betreuung durch Psychoonkologen, durch Sozialarbeiter, dass die doch ganz wichtig geworden ist. Und leider gibt es da zu wenige.
Was heißt das jetzt ganz konkret?
Ja, ganz konkret finde ich, dass sehr viel mehr getan werden muss in der Ausstattung mit Geldern bzw. der Ausstattung der Tumorzentren mit finanzieller Unterstützung, damit sehr viel mehr Psychoonkologen in diesen Tumorzentren sind, dass sie die Fragen beantworten können, dass sie den Patienten zur Verfügung stehen. Ich habe immer das Gefühl, dass unsere Patienten, die möchten gerne psychologische Unterstützung haben, finden die aber nicht, weil alles besetzt ist. Und da denke ich ist ein ganz großes Defizit, was verbessert werden muss.
Und genauso denke ich, dass bei der Betreuung der alleinstehenden älteren onkologischen Patienten, die brauchen dringend auch nach der Behandlung Unterstützung, zum Beispiel im häuslichen Bereich und auch hier wieder in der Psychoonkologie. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Was muss sich konkret an der Situation der an Leukämie erkrankten Patienten verbessern? Welche Forderungen habe Sie an den Gesetzgeber und Ihre Klinik?
Katja Martini:
Also die Uniklinik Bonn müsste in der Lage sein, auch mehr Personal bereitzustellen, um diese Patienten dann wirklich optimal zu betreuen? Wir haben eine sehr, sehr gute Tagesklinik, die auch hervorragend geführt wird und dort werden schon viele Patienten mit hämatologischen Systemerkrankungen betreut. Und da ist es ganz wichtig, dass diese Unterstützung da ist für die Patienten, die Informationen mehr gegeben werden, dass auch die Möglichkeit ist, dass der Patient abends anrufen kann, Fragen stellen kann, wenn er nicht weiter weiß, dass praktisch da auch so eine sogenannte Hotline auf der Station ist, die immer wieder dafür da ist, die wirklich wichtigen anstehenden Fragen zu beantworten.
Wie wichtig ist es, Betroffenen mit Blutkrebs Mut zu machen? Was bedeutet das für ihre Arbeit?
Katja Martini:
Das Wichtigste, das, was wir ja auch als Leitthema haben, was Marie von Ebner-Eschenbach mal gesagt hat: „Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.“ Und wenn ich Menschen habe, die an meiner Seite sind, die Mut machen, dann hilft das auch durch diese manchmal doch sehr starken Krisen zu kommen. Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.
Und eigentlich ist, ganz ehrlich, die wichtigste Aufgabe für uns, da zu sein für die Patienten, da zu sein für die Angehörigen, dass sie sich mit ihren Fragen an uns wenden können, dass wir einfach vor Ort sind
Frau Martini, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Interview.
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Dieser Artikel ist ein Beitrag aus der Serie des Awareness-Monats „Blutkrebs“. Weitere spannende Interviews, Artikel und Talk-Sendungen finden Sie in der Übersicht zum Blutkrebs-Monat.
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