Umgang des Betroffenen mit der Erkrankung
Franziska Krause sagt:
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag der Diagnose, als ich im Zweigespräch war und darüber gesprochen habe, wie das so sein wird, und darüber nachgedacht habe. Und habe mich einfach nur als Person imaginieren können, die das schon durchgemacht hat. Und ich glaube, das ist eine Sache, die mir sehr schmerzlich schnell bewusst geworden ist, sobald die Therapie angefangen hat, die Chemotherapie, wie wenig ich mit 23 wusste, was es heißt, krank zu sein, was es heißt, die Treppen nicht hochzukommen, und nicht nur körperlich, sondern auch irgendwie die Tage nach der Chemo den Kopf so leer zu haben, dass ich gar nicht sprechen möchte, weil ich gar nichts zu sagen habe. Und diese mehreren Grenzen, die mir so stark aufgezeigt worden sind, das kannte ich einfach nicht. Und das ist eine Erfahrung, die ich mir nicht gewünscht hätte und auch nicht wünschen würde, aber die ich nicht mehr missen will. Ich habe das oft immer versucht, so ein bisschen zu erklären damit, dass ich davon gesprochen habe, das ist wie auf Pause drücken und alles andere geht weiter, alle anderen Menschen leben ihr Leben weiter, auch die, die total auf mich konzentriert sind und total für mich da sind, leben trotzdem ihr Leben weiter. Und mein Leben fühlt sich an, nicht nur wie auf Pause, sondern auch noch irgendwie mit einem extraschweren Rucksack, also auch noch das, was irgendwie schon nicht läuft, ist auch noch schwerer. Ein extraschwerer Rucksack, der mir irgendwie auf dem Rücken sitzt. Ja, das ist, glaube ich, eines der prägendsten Ereignisse für mich gewesen, oder Momente, Erlebnisse gewesen, zu verstehen, ich darf wütend sein und ich darf traurig sein und ich muss auch von bestimmten Dingen Abschied nehmen. Und ich muss dafür Platz und Raum lassen. Und ich glaube, es ist sehr schwer aushaltbar, zu sehen, dass auch ich irgendwann nicht mehr stark bin. Und das mitzugehen und zu versuchen, mich aufzumuntern, gab es auf jeden Fall mehr als einen Moment, wo ich einfach drum gebeten habe: „Ich brauche jetzt kein: „Du schaffst das“, ich brauche jetzt kein: „In zwei Monaten ist alles vorbei, in drei Monaten ist alles vorbei“, sondern ein: „Scheiße“, oder ein: „Ja, ich kann total nachvollziehen, wie es dir gerade geht.““ Ja, nicht „nachvollziehen“, aber: „Ja, es ist alles doof. Und ich sehe das. Und es ist okay und du darfst jetzt weinen und du darfst jetzt traurig sein und du darfst jetzt wütend sein.“ Das Über-die-Krankheit-Sprechen ist ein Thema, das mich eigentlich von Anfang an begleitet und mir immer sehr wichtig war. Und ich merke nicht nur, dass es für mich heilsam ist, darüber zu sprechen, weil es mich an unterschiedlichen Momenten in meiner Krankheitsverarbeitung immer wieder dazu zwingt, Sachen so auszusprechen, dass andere Menschen es verstehen können. Also was alles so vielleicht in meinem Kopf bleibt, ist vielleicht nicht immer sortiert. Aber sobald ich sortieren muss oder mich artikulieren muss, merke ich, dass es mir hilft und dass es heilsam und wohltuend ist. Und auf der anderen Seite ist mir wichtig, vielleicht von einer Geschichte zu erzählen, meine. Und ob das nun das Vorbild ist, weiß ich nicht, das ist auch nicht mein Anspruch. Aber es ist zumindest eine Orientierung, die mir in meiner Krankheit gerade in den akuten Phasen sehr gefehlt hat. Ich war im Krankenhaus von alten, älteren Menschen umgeben, ich habe die erste junge krebserkrankte Person kennengelernt in meiner Reha, als alles schon vorbei war, und auch nur, weil ich mir die Reha so ausgesucht habe. Und ich sage immer: Ich war nie alleine, aber ich war sehr oft einsam. Und bin einfach orientierungslos in eine Richtung gelaufen und habe mehr als einmal gemerkt, hier ist der Weg zu Ende, und musste dann wieder zurück. Und das ist mühsam. Und es ist immer wieder mühsam, auszuprobieren, was der richtige Weg ist. Und ich glaube nicht, so nach vorne, wie ich bin, für viele Menschen der richtige Weg ist oder dass viele damit okay sind, so offen darüber zu sprechen, aber ich merke oder ich hoffe, dass es eine Projektionsfläche sein kann, eine Sache, an der sich Menschen reiben können und sagen können: „Ne, ist totaler Quatsch“, aber zumindest so hat es für sie funktioniert. Und genau, wenn das Ergebnis ist: „Für mich nicht“, dann ist das schon mehr als das, was ich hatte.
- person Franziska Krause
- coronavirus Hodgkin-Lymphom
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