Erinnerungen an die Chemotherapie
Franziska Krause sagt:
Das ist eine gute Frage, von der ich merke, dass sie ganz oft nicht gestellt wird, genauso wie die Frage nach Schmerzen, weil ich merke, dass es mir, vielleicht weil ich es gewohnt bin, leichter fällt, über sozusagen die intellektuelle Seite da zu sprechen, wie ich mich gefühlt habe, was das in mir ausmacht, was das für strukturelle Einwirkungen auf mich hatte, so ein Schwerbehindertenausweis, wie sich so was anfühlt. Und gerade das Körperliche, da werde ich ganz selten nach gefragt oder ich rede da auch sehr selten drüber, weil das auf der einen Seite, glaube ich, total gut ist, dass ich vergessen habe, was alles so wehgetan hat oder wann mit wie übel war. Und gleichzeitig merke ich, dass das eine Erfahrung ist, die ab und zu einfach zurückkommt. Also so bestimmte Erschöpfungserscheinungen bringen mich irgendwie gleich total zurück. Also es ist eine superstarke körperliche Erfahrung, die manchmal gar nicht zu fassen ist mit Worten. Und wie ich auch gerade irgendwie in der Antwort merke, dass das total schwer ist, darüber zu sprechen, weil das einfach weh tut und ganz eklig ist. Und du riechst nach den Medikamenten, du willst dich loswerden. Und du bist vor allem, und ich glaube, das ist eine Erfahrung, die mir immer noch sehr nahegeht, du wirst einfach müde, du wirst dessen einfach müde. Du wirst müde, zur Chemo zu gehen, du wirst müden, danach zu riechen, du wirst müde, die danach so zu fühlen, wie du dich fühlst. Und es war am Ende natürlich trotzdem absehbar, dass es irgendwann vorbei ist. Und es war ziemlich gut für mich, nach zwei Monaten Chemotherapie zu wissen, dass es erfolgreich war, dieses PET/CT-Ergebnis vor mir zu haben, weil das tatsächlich auch total in die Zeit fiel, als ich mein erstes sehr, sehr tiefes Tief hatte, nämlich so nach zwei Monaten. Zum einen, weil ich gemerkt habe: „Oh, es ist doch nicht so leicht“, und: „Oh, das heißt es also, krank zu sein“, und all das, was ich versucht habe, sozial am Laufen zu halten, irgendwie diese Pause, von der ich vorhin gesprochen habe, der Pauseknopf, der gedrückt ist, gegen den anzukämpfen und mit dem schweren Rucksack trotzdem loszurennen, musste ich einfach realisieren, es funktioniert nicht, also ich kann einfach nicht mithalten. Und es ist dann am Ende gar nicht nur, weil ich nicht immer überall dabei bin, sondern weil es auch schwerer wird, mit mir zu sprechen, und schwer wird, mir in die Augen zu sehen und sich anzuhören, was ich da gerade durchmache, und das so unmittelbar auch zu sehen. Also mir sind die Haare ausgefallen und ich glaube, für ganz viele ist die Glatze oder der Haarausfall das Krebsstigma. Und ich weiß, dass mir das eigentlich irgendwie, als es passiert ist, nicht so wichtig war. Und mir war auch klar: „Eine Perücke, ne, ne, auf keinen Fall, das ist nicht mein Stil.“ Ich habe immer schon gerne Mützen getragen, es war Winter, perfekt. Und trotzdem als ich dann mich, tatsächlich relativ spät, weil ich so dickes Haar habe, im März dazu entschieden habe, die Haare abzurasieren, so sehr cool, wie ich dachte, dass ich bin, der erste Blick in den Spiegel war sehr traurig wahrscheinlich oder sehr ernüchternd, das ist vielleicht das richtige Wort, sehr ernüchternd, weil ich mich fragen musste: Wer ist dieser Mensch? Und auch heute irgendwie, ich mag meine Haare so, die sind total cool, mir gefällt das total. Es ist einfach ein anderer Mensch, es ist einfach eine andere Person, als die, die ich denke. Und auch heute, wenn ich zum Beispiel mir Bilder aus der Zeit, also so im März rum, dann bin ich manchmal froh, dass ich mich nicht so krank gesehen habe, wie ich auf diesen Bildern aussehe. Also das Spiegelbild, manchmal war es total gut, dass es mich auch getrügt hat. Und es ist trotzdem eine sehr ernüchternde Erinnerung daran, was es heißt, sich so mit so einem Babyflaum, also mit so Babyhaaren anzuschauen.
- person Franziska Krause
- coronavirus Hodgkin-Lymphom
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