Umgang des Betroffenen mit der Erkrankung
Heidi Sand sagt:
Und dann sitzt man in der Chemotherapie. Man schläft viel. Man liest. Und für mich war es so, die erste Zeit, mein Mann und ich wir haben früh geheiratet. Wir haben sofort die Kinder gekommen. Ich hatte in meinem ganzen Leben nie Zeit, mich mit mir selber zu beschäftigen. Aber jetzt war ich quasi gezwungen dazusitzen, sieben, acht Stunden am Tag dazusitzen auf einem schwarzen Ledersessel und die schreckliche Medizin in mich reinlaufen zu lassen. Ich war zur Ruhe gezwungen und konnte das erste Mal reflektieren. Ich habe mein bisheriges Leben reflektiert und kam zu dem Schluss, ich bin zufrieden. Ich habe bis dahin sehr bewusst gelebt. Mit meinem Mann zusammen auch. Aber mein ganzes Leben war schon sehr vielen äußeren Einflüssen gewidmet. Pauschal gesagt. Und natürlich als Funktion als Mutter, Bildhauerei, Sport waren die drei Elemente, die mich wirklich sehr eingenommen haben. In der dritten oder vierten Chemotherapie-Stunde kam so, was will ich denn für die Zukunft mit mir selber? Und da kam zum ersten Mal so eine Vision auf. Wenn ich das hier überlebe, dann will ich mich mit einem Achttausender belohnen. Mir wurde relativ schnell klar, ich brauche ein Ziel. Ein Ziel, für das es sich lohnt, da wieder Montag, Dienstag, mittwochs hinzugehen und-. Man fühlt sich da auch nicht sehr besonders. Und ich brauche ein Ziel, mit dem ich mich selber belohne. Und das ist in dem Fall keine neue Handtasche oder sonst was gewesen. Sondern-, und die Vision kam so: Ich war 2008 das erste Mal im Nepal, und da habe ich die großen Riesen gesehen. Die großen gigantischen hohen Berge. Und der Gedanke war dann wieder weg. Weil ich hätte mir das im-, wenn das normal weitergegangen wäre, nie erlaubt acht Wochen von zu Hause weg zu sein, so aus meinem normalen Leben, alltäglichen Leben rauszugehen (I: Auszubrechen.) Auszubrechen, ist das richtige Wort. Und auch so viel Geld dafür zu verwenden. Aber jetzt wollte ich mich ja mit was wirklich belohnen. Und dann war der Gedanke mal da und dann hat er mich nicht mehr losgelassen. Und dann, und das ist für mich nochmal so ausschlaggebend, mit diesem Ziel, mit diesem Traum, zu wissen, ich kann ihn realisieren. Ich hatte wirklich meine Familie als Stütze im Nacken. Da lief ich auf Hochtouren. Zunächst ist es einfach gut. Man sieht die Krankheit als Chance. Nicht als Bedrohung, sondern als neue Chance, sich neue Ziele zu setzen, neue Wege zu gehen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Und Ziele habe ich für mich selber so gelegt, Ziele sollten machbar sein, aber natürlich eine gewisse Herausforderung bedeuten. Und dann muss man so ein bisschen in sich reinspüren. Es ist ja oft auch eine Mischung zwischen Wunsch, Ziel und Vision, was man so hat. Also nicht jeder, der jetzt mich gehört hat muss sich das Ziel setzen, auch auf den Mount Everest zu steigen. Aber Ziele sollten machbar sein, weil sonst enden sie als Enttäuschung, wenn sie nicht erreicht werden, obwohl sie eigentlich doch als Erfolg dienen sollten.
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