Ich mache mir jeden Tag wertvoll
Worum es geht: Zuversicht, Zulassen, Vertrauen & Akzeptanz
Die lebensfrohe und feinsinnige Tatjana Loose hat 2015 im Alter von 53 Jahren die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhalten. Die Krankheit ist schwierig zu erkennen und wird häufig erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. So auch bei ihr. Sie sagt: „Zuversicht, Zulassen, Vertrauen und Akzeptanz – das sind meine Kraftquellen und schaffen für mich jeden Tag auf’s Neue die Möglichkeit, die Krebserkrankung in mein Leben zu integrieren und mit den Limitierungen umzugehen.
Wir erfahren von Tatjana unter anderem, wie sie wertvolle Unterstützung durch den Psychoonkologen erhalten hat und wie sie somit mit ihren Liebsten offen über ihre Ängste und Hoffnungen, sowie über Begrenzungen und Träume sprechen konnte. Ihre Lebensfreude und ihr Berliner Charme sind ansteckend. Im Interview mit Stephan Pregizer erzählt sie prägnant und zugleich berührend ihre eindrucksvolle Geschichte.
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Das Interview zum Nachlesen
Einleitung:
Meine Damen und Herren, ganz herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe unse-rer Reihe „Ein Gespräch im roten Sessel“. Heute haben wir eine ausgesprochen sympathische und feinsinnige Dame zu Gast, eine echte Berlinerin. Mit 53 Jahren erhielt sie die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Trotz dieses Befundes hat sie sich ihren Lebensmut nicht nehmen lassen und wird heute aus ihrem Leben und ihrem Umgang mit der Krebserkrankung sprechen. Sie hat einen bemerkenswerten Zugang zu ihrer Erkrankung gefunden und sagt: „Ich versuche jeden Tag schön und wertvoll zu machen, denn jeder Tag soll sich lohnen. Auch habe ich gelernt, mit Limitierungen zu leben. Fahrrad fahren und schwimmen geht nicht mehr, Schokoladenhasen naschen auch nicht mehr. Meine Stöcke beim Nordic Walking haben Namen, damit laufe ich nicht alleine, sondern in der Gruppe. Das macht dann auch mehr Spaß.“ Was sie durch die Krankheit gelernt hat, fasst sie in vier Worte zusammen: Zuversicht, Zulassen, Vertrauen und Akzeptanz. Davon und über ihre ungebrochene Lebensfreude wollen wir unter anderem jetzt mehr erfahren. Sie hat schon Platz genommen auf dem roten Survivor Chair.
Moderator: Herzlich willkommen, Tatjana Loose.
Tatjana Loose: Danke schön.
Moderator: Tatjana, sei so lieb, erzähle uns deine Geschichte. Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Tatjana Loose: Mein Leben vor der Krebserkrankung war ganz normal. Ausgehen, Theater, Kino, Fahrrad fahren, schwimmen gehen, Freunde treffen, in die Cocktailbar gehen, arbeiten. Arbeit hat wirklich Spaß gemacht, das Leben war schön.
Moderator: Wie warst du familiär eingebunden?
Tatjana Loose: Mein Lebenspartner, meine Tochter, mein Bruder, die Eltern, Familie gut situiert. Im April 2015 ist mein Vater verstorben, das hat mir doch ganz schön die Beine weggerissen. Jeder Mensch hat so ein Ventil, um Schmerz, um Trauer zu verarbeiten. Meines, dachte ich, wäre der Magen. Die Schmerzen wurden nicht besser, das wurde immer noch schlimmer. Ich habe dann auch rapide abgenommen, zwölf Kilo insgesamt, und habe mir dann eine Einweisung ins Krankenhaus geben lassen. Es wurden alle Maßnahmen eingeleitet, Sonographie und MRT und CT und die Diagnose kam relativ schnell: Es ist ein Krebs.
Moderator: Kannst du dich daran erinnern, was genau die Ärztin gesagt hat?
Tatjana Loose: Ich weiß nur, dass die Ärztin, die Oberärztin, sehr einfühlsam sich zu mir ans Bett gesetzt hat, die Arme so um mich geschlungen hat und gesagt hat: „Frau Loose, ich muss Ihnen mal eine nicht so schöne Nachricht übermitteln. Sie haben einen Tumor am Kopf der Bauchspeicheldrüse.“ Das war relativ schnell schon klar.
Moderator: Was waren deine allerersten Gedanken, die sich breit gemacht haben?
Tatjana Loose: „Krebs heißt, zu sterben.“ Aber ich war froh, dass was herausgefunden wurde. Ich hätte alles angenommen, Hauptsache, die Schmerzen gehen weg. Weil das ist halt im Oberbauch ein drückender, quälender, stechender Schmerz, der nie aufhörte.
Moderator: Wie ist es, wenn jemand, der sonst das Sagen hat, auf einmal mit so einer Diagnose im Grunde konfrontiert wird und jetzt übernimmt die Krankheit das Sagen?
Tatjana Loose: Das haut einem schon die Beine weg, weil sonst konntest du anderen Leuten helfen. Und in dem Moment, du kannst dir nicht helfen. Allen anderen vielleicht, aber dir nicht. Und das ist schon ein harter Tobak. Gut war, dass ich nicht alleine war. Ich war im Krankenhaus, ich war 24/7 unter Beobachtung. Es war immer jemand da, wenn ich meine Heulattacke hatte, was ich natürlich ständig irgendwie hatte, kam immer eine Schwester und sagte: „Mensch, Mädelchen“, und klopfte mich und drückte mich und die Ärzte kamen vorbei. Also das war sehr gut. Meine Familie natürlich auch, meine Arbeitskollegen schickten mir Briefe, Blumen ins Krankenhaus. Also ich fühlte mich gut umsorgt.
Moderator: Wie war die Reaktion deiner Familie, deines Lebenspartners, aber auch deiner Tochter, deiner Freunde und deiner Kollegen?
Tatjana Loose: Die Familie und die anderen Menschen, die halt nicht betroffen sind in dem Moment, die mir aber nahe sind, die müssen damit halt auch umgehen, die müssen damit rechnen, dass ich sterbe. Kann ja durchaus passieren. Und das ist eine harte Zeit, denke ich, auch für Angehörige.
Moderator: Dieses Nicht-Alleingelassensein ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt bei einer Krebsdiagnose. Gab es auch Situationen im weiteren Verlauf, wo sich Menschen von dir abgewandt haben?
Tatjana Loose: Die Menschen sind sich unsicher, wissen nicht, was sie machen sollen. Was machen sie, wenn sie nicht wissen, was sie machen sollen? Machen gar nüscht, also drehen sich um, gehen weg. Und das ist natürlich sehr schwierig als Betroffener, nicht nur dir die Hand zu reichen, sondern deinem Umfeld auch: „Pass auf, ich bin nicht ansteckend, du kannst ruhig mit mir lachen. Du kannst mit mir auch einen Tee trinken.“
Moderator: Hat dich für einen Moment die Frage beschäftigt: „Was habe ich falsch gemacht? Warum habe ich diesen Krebs bekommen?“?
Tatjana Loose: Menschen geben sich immer die Schuld an Sachen. Der Psychologe nahm sich dann meiner an und stellte auch die richtige Frage: „Warum denken Sie denn, dass Sie Schuld haben?“- „Ich habe geraucht, ich habe Alkohol getrunken, ich habe das Leben genossen, ich habe Freunde gehabt, ich habe Sex gehabt. Ich habe gelebt.“ – „Aha. Und warum sind Sie jetzt Schuld an dem, was Sie gemacht haben?“ Gute Frage. Ich bin nicht Schuld.
Moderator: Woher kommt die Kraft für dich, nach der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs wieder Kraft zu bekommen, wieder Energie zu bekommen?
Tatjana Loose: Die Kraft scheint dann wohl wirklich aus dem Menschen selbst herauszukommen, also aus mir. Ich war froh, überlebt zu haben, die Operation überlebt zu haben. Und was soll mir jetzt noch passieren? Ich kann nur nach vorne gucken. Sich jeden Tag schön zu machen, wir wissen nicht, was morgen ist, aber heute, heute ist jetzt und jetzt kann auch schön sein.
Moderator: Wie ging es nach der Operation mit der Therapie dann weiter?
Tatjana Loose: Danach wird empfohlen, eine Chemotherapie zu machen. Habe ich auch gemacht, ich habe gesagt: „Ja, wenn noch irgendwas sein sollte, dann kann es durch so eine Chemotherapie ja ausgemerzt werden.“
Moderator: War es anfänglich schwer für dich, mit deinen Liebsten darüber zu sprechen? Hast du dir Zeit gelassen, intensiver ins Gespräch zu gehen, was so eine Diagnose bedeuten kann?
Tatjana Loose: Ich habe mir den Krankenhauspsychologen geholt, die sagte mir: „Natürlich müssen Sie mit Ihren Angehörigen reden. Die stehen im Leben, die stehen mit beiden Füßen im Leben. Wenn die Sachen nicht ertragen oder durchhalten können, dann können die immer noch sagen: „Stopp, ich kann nicht, ich kann dir jetzt gerade nicht helfen.““
Moderator: Wer war dein Fels in der Brandung?
Tatjana Loose: Mein Mann, meine Tochter und mein Bruder. Also ich fand es sehr gut, dass die drei halt auch da waren und sich auch verbündelt haben miteinander. Zum Beispiel Krankenhausbesuche: „Heute gehst du, morgen gehst du und übermorgen gehst du.“ Bringt dann auch nichts, wenn alle heute kommen und morgen kommt gar keiner und ich warte aber darauf.
Moderator: Welche Reaktionen gab es von deinen Kollegen?
Tatjana Loose: Ich mochte immer gerne bunte Geburtstagskarten. Und meine Kollegen haben mir dann Genesungswünsche ganz in bunt geschickt, bunte Blumen. Also das hat mich auch zu Tränen gerührt.
Moderator: Wann bist du denn das erste Mal mit dem Thema Psychoonkologie in Berührung gekommen?
Tatjana Loose: Das war in der Chemotherapie, wo ich meine Heulattacken hatte. Davor habe ich gesagt: „Ich brauche doch keinen Psychologen, ich doch nicht.“ Ist schon wirklich gut, gerade wenn man so unter Todesängsten leidet. Der ist ja nicht so dicht an meiner selbst dran. Der gehört nicht zu meiner Familie, nicht zu meinen Freunden. Ich habe meinen Schmerz bei ihm abgeladen.
Moderator: Welche Rolle hat das Internet während deiner Erkrankung gespielt?
Tatjana Loose: Als ich noch im Krankenhaus lag, sagte die Krankenhauspsychologin: „Gucken Sie nicht ins Internet. Sie finden 100.000 Artikel, aber nicht einer muss auf Sie zutreffen, weil jeder Mensch ist anders. Vertraue auf die blauen Informationshefte der Deutschen Krebsgesellschaft, die sind wirklich gut, aber nutze nicht irgendwelche Krebsportale.“
Moderator: Jetzt bist du organisiert in der Selbsthilfe.
Tatjana Loose: Das ist die ADP, der Arbeitskreis der Pankreatektomierten. Und in so einer Selbsthilfegruppe muss man nichts erklären, das, was ich dir erklären müsste oder dem Umfeld. Die haben es selber durchgemacht, die wissen, wovon ich rede. Es kommt natürlich auch manchmal ein bedrückender Moment dazu, wenn einer, der Miterkrankten gestorben ist. Aber ist menschlich eben auch.
Moderator: Tatjana, jetzt hast du für unser heutiges Gespräch genau diese Location ausgesucht, am Wasser. Warum?
Tatjana Loose: Wasser ist wie Leben. (lacht) Das Leben ist, es gibt immer ein Tief und ein Hoch und auch Wellen machten Tief und ein Hoch. Und ich war im November an der Ostsee, am Wasser. Die Wellen kamen mit Macht, der Wind pustete mir die schlechten Gedanken fort, die Möwen gaben mir ihr Flugschauspiel. Man muss nicht viel tun, man kann einfach nur sein.
Moderator: Wie sollte man sich, oder kann man sich, erreichbare Ziele setzen, die einen herausfordern, aber nicht überfordern?
Tatjana Loose: Die Ziele müssen wirklich konkret sein, manchmal verschwimmt es. Du bist auf dem Weg zum Schuster oder zum Bäcker und dann kommt auf einmal der Bekleidungsladen dazwischen und lenkt mich ab. Das Kleid ruft: „Zieh mich an, probier mich an“, das ist dann zu viel.
Moderator: Du warst in einer Reha. Welche Erfahrungen hast du in der Reha gemacht?
Tatjana Loose: An der Reha lernt man unter medizinischer Begleitung, welche Sportarten kann ich machen? Was kann ich mir überhaupt zutrauen? Kann ich ins Wasser gehen mit der großen Wunde eigentlich schon? Welche Tipps gibt es denn. Durch die Chemotherapie haben wir Nervenprobleme, das kribbelt, das tut weh, du kannst nichts greifen und dort haben wir zum Beispiel mit Honig uns die Hände gerieben. Der Honig klebt irgendwann mal und das ist ein irres Gefühl.
Moderator: Jetzt hast du deine beiden Stöcke beim Nordic Walking getauft. Wie kam es dazu, erzähle uns die Geschichte, bitte.
Tatjana Loose: Laufen ist das Einzige, was ich gut kann. Und immer alleine zu laufen, ist auch ein bisschen blöd. Und dann bin ich irgendwann mal drauf gekommen: „Komm, Elisabeth, komm, Anton“, jeder an eine Hand und dann sind wir in Gruppe gelaufen. Auch wenn sich das ein bisschen merkwürdig anhört, es hilft einem, loszugehen, sich zu bewegen, körperlich aktiv zu sein, die Muskeln zu stärken.
Moderator: In vier Begriffen kann man zusammenfassen, was du gelernt hast durch die Krankheit: Zuversicht, Zulassen, Vertrauen und Akzeptanz.
Tatjana Loose: Zuversicht kann man in das Leben integrieren. Ich kann zuversichtlich sein, dass ich dieses Essen vertrage. Ich kann zulassen, dass meine Freunde wieder meine Freunde sind. Ich kann auch zulassen, wenn meine Tochter mal traurig ist. Vertrauen ist ein heftiges Ding. Also man muss schon Vertrauen zur Psychologin haben. Du musst auch Vertrauen zum Arzt haben. Akzeptanz ist eine noch schwierigere Sache wie das Vertrauen. Ich lasse es zu, dass ich diese Erkrankung habe und dass ich damit leben kann. Und ich akzeptiere, dass es zu mir gehört.
Moderator: Wie lebst du heute?
Tatjana Loose: Wenn ich in die Zukunft sehe, dann versuche ich, meine Zukunft stornierbar zu organisieren, weil es kann ja immer irgendwas passieren. Aber heute ist mein liebster Tag.
Moderator: Wie und worin hat dich die Erkrankung verändert?
Tatjana Loose: Ich habe mehr Achtsamkeit mir gegenüber und dem Leben gegenüber. Vertrauensstatus, der ist intensiver geworden. Die Familie ist näher zusammengerückt.
Moderator: Was hast du verloren?
Tatjana Loose: Ich habe Lebenslust verloren, Lebensfreude oft, die Leichtigkeit des Seins habe ich verloren. Ich muss immer achtgeben: Welche Status hat meine Erkrankung jetzt? Ist nicht immer schön, aber man kann sich schöne Momente machen.
Moderator: Hast du lernen müssen im Vergleich zu früher, dich anders anzugrenzen, auch mal „nein“ zu sagen.
Tatjana Loose: Natürlich. Und das ist keine leichte Schule, das ist eine sehr harte Schule, zu sagen: „Tut mir leid, aber ich kann nicht mehr.“
Moderator: Was magst du besonders gern an der Tatjana, wie sie heute ist?
Tatjana Loose: Ich mag gerne, dass ich scheinbar Lebenslust ausstrahle, auch wenn ich sie nicht habe. Ich mag gerne, morgens in den Spiegel zu gucken und ein freundliches Gesicht zu sehen. Ich mag es nicht, wenn mich da irgend so ein Kotzbrocken oder Ekelbrocken oder so anguckt. Ich habe einen Modus mit mir selber gefunden und zwar: Bestimmte Sachen lasse ich nicht bei mir zu und auch nicht bei meiner Familie oder Angehörigen, sondern damit muss sich dann die Psychologin rumplagen.
Moderator: Was ist deine Definition eines CancerSurvivors?
Tatjana Loose: Jeder Krebsüberlebende, jeder Erkrankte, ist ein Lebenskünstler und hat diese Kunst erlernt, wieder zum Leben zurückzuführen. Es lohnt sich zu leben.
Moderator: Welche Pläne hast du, was steht als nächstes an?
Tatjana Loose: Ich mache seit vielen Jahren einen Mutter-Tochter-Urlaub mit meiner Tochter und wir werden eine kleine Mutter-Tochter-drei-Tage-Reise machen. Und weiter plane ich eigentlich nicht. Ich freue mich über jeden Tag, der da ist.
Moderator: Wie lautet dein Lebensmotto, was ist dein Credo?
Tatjana Loose: „Genieße jeden Tag. Du weißt nicht, was morgen ist. Und was gestern war, ist passiert, daran kannst du nichts mehr ändern.“
Moderator: Tatjana, wir sind am Ende unseres Interviews angekommen. Mir bleibt, mich von Herzen zu bedanken. Vielen Dank, dass du uns deine beeindruckende Geschichte erzählt hast, dass du uns diesen sehr offenen Einblick in dein Leben gewährt hast. Ich wünsche dir, deiner Tochter, deinem Mann von Herzen das Beste, dass es euch gut geht und dass ihr eine schöne uns gesunde Zukunft vor euch habt. Vielen Danke, Tatjana.
Tatjana Loose: Danke. Ich freue mich, dass ich lebe.
Transcript
Meine Damen und Herren, ganz herzlich willkommen zu 1 neuen Ausgabe unserer Reihe Ein Gespru00e4ch im Roten Sessel.Heute haben wir eine ausgesprochen sympathische und feinsinnige Dame zu Gast, eine echte Berlinerin.Mit 53 Jahren erhielt sie die Diagnose Bauchspeicheldru00fcsenkrebs.Trotz dieses Befundes hat sie sich ihren Lebensmut nicht nehmen lassen und wird heute aus ihrem Leben und dem Umgang mit ihrer Krebserkrankung sprechen.Sie hat einen bemerkenswerten Zugang zu ihrer Erkrankung gefunden und sagt, ich versuche jeden Tag schu00f6n und wertvoll zu machen, denn jeder Tag soll sich lohnen.
Auch hab ich gelernt, mit Limitierungen zu leben.Fahrradfahren und Schwimmen geht nicht mehr, Schokoladenhasen naschen auch nicht mehr.Meine Stu00f6cke beim Nordic Walking haben Namen.Damit laufe ich nicht alleine, sondern in der Gruppe.Das macht dann auch mehr Spau00df.
Was sie durch die Krankheit gelernt hat, fasst sie in 4 Worte zusammen.Zuversicht, Zulassen, Vertrauen und Akzeptanz.Davon und u00fcber ihre ungebrochene Lebensfreude wollen wir unter anderem jetzt mehr erfahren.Sie hat schon Platz genommen auf dem roten Survivor Chair.Herzlich willkommen, Tatjana Loose.
Dankeschu00f6n.
Tatjana, sei so lieb.Erzu00e4hl uns deine Geschichte.Wie war dein Leben vor der Krebserkrankung?
Mein Leben vor der Krebserkrankung war ganz normal.Ausgehen, Theater, Kino, Fahrrad fahren, schwimmen gehen, Freunde treffen, in die Cocktailbar gehen, arbeiten.Arbeit hat wirklich Spau00df gemacht.Das Leben war schu00f6n.
Wie warst Du familiu00e4r eingebunden?
Mein Lebenspartner, meine Tochter, mein Bruder, die Eltern, familiu00e4r gut situiert.Im April 2015 ist mein Vater verstorben.Es hat mir doch ganz schu00f6n die Beine weggerissen.Jeder Mensch hat son Ventil, Schmerz, Trauer zu verarbeiten.Meins, dachte ich, wu00e4r der Magen.
Die Schmerzen wurden nicht besser.Das wurde immer noch schlimmer.Ich hab dann auch rapide abgenommen, 12 Kilo insgesamt, hab mir eine Einweisung ins Krankenhaus geben lassen.Es wurden alle Mau00dfnahmen eingeleitet, Sonografie und MHT und CT und die Diagnose kam relativ schnell.Es ist ein Krebs.
Kannst Du dich dran erinnern, was genau die u00c4rztin gesagt hat?
Ich weiu00df nur, dass die u00c4rztin, die Oberu00e4rztin sehr einfu00fchlsam sich zu mir ans Bett gesetzt hat, die Arme so mich geschlungen hat und gesagt hat, Frau Lose, ich muss Ihnen mal eine nicht so schu00f6ne Nachricht u00fcbermitteln.Sie haben einen Tumor am Kopf der Bauchspeicheldru00fcse.Das war relativ schnell schon klar.
Was waren deine allerersten Gedanken, die sich breitgemacht haben?
Krebs heiu00dft zu sterben, aber ich war froh, dass was herausgefunden wurde.Ich hatte alles angenommen, Hauptsache die Schmerzen gehen weg, weil das ist halt im Oberbauch 'n dru00fcckender, quu00e4lender, stechender Schmerz, der nie aufhu00f6rte.
Wie ist es, wenn jemand, der sonst das Sagen hat, auf einmal mit so 1 Diagnose im Grunde konfrontiert wird und jetzt u00fcbernimmt die Krankheit das Sagen.
Das haut einem schon die Beine weg, weil sonst konntest Du anderen Leuten helfen und in dem Moment, Du kannst dir nicht helfen.Allen anderen vielleicht, aber dir nicht und das ist schon harter Tobak.Gut war, dass ich nicht alleine war.Ich war im Krankenhaus.Ich war 24 mal 7 unter Beobachtung.
Es war immer jemand da, wenn ich meine Heulattacke hatte, was ich natu00fcrlich stu00e4ndig irgendwie hatte, kam immer eine Schwester und sagte Mensch, Mu00e4delchen und klopfte mich und dru00fcckte mich und die u00c4rzte kamen vorbei.Also das war sehr gut.Meine Familie natu00fcrlich auch.Meine Arbeitskollegen schickten mir Briefe, Blumen ins Krankenhaus.Also ich fu00fchlte mich gut umsorgt.
Wie war die Reaktion deiner Familie, deines Lebenspartners, aber auch deiner Tochter, deiner Freunde und deiner Kollegen?
Die Familie und die anderen Menschen, die halt nicht betroffen sind in dem Moment, die mir aber nah sind, die mu00fcssen damit halt auch umgehen.Die mu00fcssen damit rechnen, dass ich sterbe.Kann ja durchaus passieren, ne?Und Ist eine harte Zeit, denke ich, auch fu00fcr Angehu00f6rige.
Dieses Nicht allein gelassen sein ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt bei 1 Krebsdiagnose.Gab es auch Situationen im weiteren Verlauf, wo sich Menschen von dir abgewandt haben?
Die Menschen sind sich unsicher, wissen nicht, was sie machen sollen.Was machen sie, wenn sie nicht wissen, was sie machen sollen?Machen die auch nichts.Also drehen sich gehen weg und das ist natu00fcrlich sehr schwierig als Betroffener nicht nur dir die Hand zu reichen, sondern deinem Umfeld auch.Pass auf, ich bin nicht ansteckend.
Du kannst ruhig mit mir lachen.Du kannst mit mir auch Tee trinken.
Hat dich fu00fcr Moment die Frage beschu00e4ftigt, was hab ich falsch gemacht?Warum hab ich diesen Krebs bekommen?
Menschen geben sich immer die Schuld an Sachen.Der Psychologe nahm sich dann meiner an und stellte auch die richtige Frage, warum denken Sie denn, dass Sie Schuld haben?Ich hab geraucht, ich hab Alkohol getrunken, ich hab das Leben genossen, ich hab Freunde gehabt, ich hab Sex gehabt, ich hab gelebt.Aha.Und warum sind Sie jetzt schuld an dem, was Sie gemacht haben?
Gute Frage.Ich bin nicht schuld.
Woher kam die Kraft fu00fcr dich nach der Diagnose Bauchspeicheldru00fcsenkrebs wieder in eine Kraft zu kommen, wieder Energie zu bekommen?
Die Kraft scheint dann wohl wirklich aus den Menschen selbst herauszu kommen, also aus mir.Ich war froh, u00fcberlebt zu haben, die Operation u00fcberlebt zu haben.Und was soll mir jetzt noch passieren?Ich kann nur nach vorne gucken, sich jeden Tag schu00f6n zu machen.Wir wissen nicht, was morgen ist, aber heute.
Heute ist jetzt und jetzt kann auch schu00f6n sein.
Wie ging es nach der Operation mit der Therapie dann weiter?
Danach wird empfohlen, eine Chemotherapie zu machen.Habe ich auch gemacht.Ich hab gesagt, ja, also wenn noch irgendwas sein sollte, dann kann es durch so eine Chemotherapie ja ausgemerzt werden.
War's anfu00e4nglich schwer fu00fcr dich, mit deinen Liebsten daru00fcber zu sprechen?Hast Du dir Zeit gelassen, intensiver ins Gespru00e4ch zu gehen, was sone Diagnose bedeuten kann?
Ich hab mir den Krankenhauspsychologen geholt, die sagte mir, natu00fcrlich mu00fcssen Sie mit Ihren Angehu00f6rigen reden.Die stehen im Leben, die stehen mit beiden Fu00fcu00dfen im Leben.Wenn die Sachen nicht ertragen oder durchhalten ku00f6nnen, dann ku00f6nnen die immer noch sagen, stopp, ich kann nicht, ich kann dir jetzt grade nicht helfen.
Wer war dein Fels in der Brandung?
Mein Mann, meine Tochter und mein Bruder.Also ich fand es sehr gut, dass die 3 halt auch da waren und sich auch verbu00fcndelt haben miteinander, sodass zum Beispiel Krankenhausbesuche.Heute gehst Du, morgen gehst Du und u00fcbermorgen gehst Du.Bringt denn auch nichts, wenn alle heute kommen und morgen kommt ja keiner und ich warte aber drauf.
Welche Reaktionen gab es von deinen Kollegen?
Ich mochte immer gerne bunte Geburtstagskarten und meine Kollegen haben mir dann Genesungswu00fcnsche auch ganz in bunt geschickt, bunte Blumen.Also es hat mich auch zu Tru00e4nen geru00fchrt.
Wann bist Du denn das erste Mal mit dem Thema Psychoonkologie in Beru00fchrung gekommen?
Das war in der Chemotherapie, wo ich meine Heulattacken hatte.Davor habe ich gesagt, ich brauche doch keinen Psychologen, ich doch nicht.Ist schon wirklich gut, gerade wenn man so unter Todesu00e4ngsten leidet.Der ist ja nicht so dicht an an an meiner selbst dran.Der gehu00f6rt nicht zu meiner Familie, nicht zu meinen Freunden.
Ich hab meinen Schmerz bei ihm abgeladen.
Welche Rolle hat das Internet wu00e4hrend deiner Erkrankung gespielt?
Als ich noch im Krankenhaus lag, sagte die Krankenhauspsychologin, gucken Sie nicht ins Internet.Sie finden 100000 Artikel, aber nicht 1 muss auf Sie zutreffen, weil jeder Mensch ist anders.Vertraue auf die blauen Informationshefte der Deutschen Krebsgesellschaft.Die sind wirklich gut, aber nutze nicht irgendwelche Krebsportale.
Jetzt bist Du organisiert in der Selbsthilfe.
Das ist die ADP, die der Arbeitskreis der Pankreatektomierten und in soner Selbsthilfegruppe muss man nichts erklu00e4ren.Das, was ich dir erklu00e4ren mu00fcsste oder dem Umfeld, die haben's selber durchgemacht.Die wissen, wovon ich rede.Es kommt natu00fcrlich auch manchmal bedru00fcckender Moment dazu, wenn 1 der Miterkrankten gestorben ist, aber ist menschlich eben auch.
Gerne, jetzt hast Du fu00fcr unser heutiges Gespru00e4ch genau diese Location ausgesucht am Wasser.Warum?
Wasser ist wie Leben, also wie die Das Leben ist Es gibt immer Tief unten hoch und auch Wellen machen Tief unten hoch und ich war im November an der Ostsee am Wasser.Die Wellen kamen mit Macht.Der Wind postete mir die schlechten Gedanken fort.Die Mu00f6wen gaben mir ihr Flugschauspiel.Man muss nicht viel tun.
Man kann einfach nur sein.
Wie sollte man sich oder kann man sich erreichbare Ziele setzen, die einen herausfordern, aber nicht u00fcberfordern?
Die Ziele mu00fcssen wirklich konkret sein.Manchmal verschwimmt es.Du bist aufm Weg, bist zum Schuster oder zum Bu00e4cker und dann kommt auf einmal der Bekleidungsladen dazwischen und lenkt mich Das Kleid ruft, zieh mich an, probier mich an.Das ist dann zu viel.
Du warst in 1 Reha.Welche Erfahrungen hast Du in der Reha gemacht?
An der Reha lernt man unter medizinischer Begleitung, welche Sportarten kann ich machen?Was kann ich mir u00fcberhaupt zutrauen?Kann ich ins Wasser gehen mit der grou00dfen Wunde eigentlich schon?Welche Tipps gibt's denn?Durch die Chemotherapie haben wir Nervenprobleme, das kribbelt, das tut weh, Du kannst nichts greifen.
Und dort haben wir zum Beispiel mit Honig uns die Hu00e4nde gerieben.Der Honig klebt irgendwann mal und ist irres Gefu00fchl.
Jetzt hast Du deine beiden Stu00f6cke beim Nordic Walking getauft.Wie kam es dazu?Erzu00e4hl uns die Geschichte bitte.
Laufen ist das Einzige, was ich gut kann.Und immer alleine zu laufen, ist auch bisschen blu00f6d.Und dann bin ich irgendwann mal draufgekommen, komm Elisabeth, komm Anton, jeder in 1 Hand und dann sind wir in Gruppe gelaufen.Auch wenn sich das bisschen merkwu00fcrdig anhu00f6rt, es hilft einem loszugehen, sich zu bewegen, ku00f6rperlich aktiv zu sein, die Muskeln zu stu00e4rken.
In 4 Begriffen kann man zusammenfassen, was Du gelernt hast durch die Krankheit.Zuversicht, zulassen, Vertrauen und Akzeptanz.
Zuversicht kann man dann in das Leben integrieren.Ich kann zuversichtlich sein, dass ich dieses Essen vertrage.Ich kann zulassen, dass meine Freunde wieder meine Freunde sind.Ich kann auch zulassen, wenn meine Tochter mal traurig ist.Vertrauen ist heftiges Ding, ne.
Also man muss schon Vertrauen zur Psychologin haben.Du musst auch Vertrauen zum Arzt haben.Akzeptanz ist eine noch schwierige Sache wie das Vertrauen.Ich lasse es zu, dass ich diese Erkrankung habe und dass ich damit leben kann und ich akzeptiere, dass es zum zu mir gehu00f6rt.
Wie lebst Du heute?
Wenn ich in die Zukunft sehe, dann versuche ich meine Zukunft stornierbar zu organisieren, weil es kann ja immer irgendwas passieren, aber heute ist mein liebster Tag.
Wie und worin hat dich die Erkrankung veru00e4ndert?
Ich habe mehr Achtsamkeit mir gegenu00fcber und dem Leben gegenu00fcber.Vertrauensstatus, der ist intensiver geworden.Die Familie ist nu00e4her zusammengeru00fcckt.
Was hast Du verloren?
Ich hab Lebenslust verloren, Lebensfreude oft.Die Leichtigkeit des Seins hab ich verloren.Ich muss immer 8 geben, wie welchen Status hat meine Erkrankung jetzt?Ist nicht immer schu00f6n, aber man kann sich schu00f6ne Momente machen.
Hast Du lernen mu00fcssen, im Vergleich zu fru00fcher, dich anders abzugrenzen, auch mal nein zu sagen?
Natu00fcrlich.Und das ist keine leichte Schule.Es ist eine sehr harte Schule, zu sagen, tut mir leid, aber kann ich mehr.
Was magst Du besonders gern an der Tatjana, wie sie heute ist?
Ich mag gerne, dass ich scheinbar Lebenslust ausstrahle, auch wenn ich sie nicht habe.Ich mag gerne, morgens in Spiegel zu gucken und freundliches Gesicht zu sehen.Ich mag es nicht, wenn ich wenn mich da irgend son Kotzbrocken oder Ekelbrocken oder so anguckt.Ich hab Modus mit mir selber gefunden, und zwar bestimmte Sachen lass ich nicht nur bei nicht bei mir zu und auch nicht bei meiner Familie oder Angehu00f6rigen, sondern damit muss ich dann die Psychologin rumplagen.
Was ist deine Definition 1 Cancer Survivors?
Jeder Krebs u00dcberlebende, jeder Erkrankte ist ein Lebensku00fcnstler und hat hat diese Kunst erlernt, wieder zum Leben zuru00fcckzufu00fchren.Es lohnt sich zu leben.
Welche Plu00e4ne hast Du?Was steht als Nu00e4chstes an?
Ich mache seit vielen Jahren einen Mutter Tochter Urlaub mit meiner Tochter und wir werden eine kleine Mutter Tochter Dreitagereise machen.Und weiter plan ich eigentlich nicht.Ich freue mich u00fcber jeden Tag, der da ist.
Wie lautet dein Lebensmotto?Was ist dein Credo?
Genieu00dfe jeden Tag.Du weiu00dft nicht, was morgen ist und was gestern war.Es passiert, daran kannst Du nix mehr u00e4ndern.
Tatjana, wir sind am Ende unseres Interviews angekommen.Mir bleibt mich von Herzen zu bedanken.Vielen Dank, dass Du uns deine beeindruckende Geschichte erzu00e4hlt hast, dass Du uns diesen sehr offenen Einblick in dein Leben gewu00e4hrt hast.Ich wu00fcnsche dir, deiner Tochter, deinem Mann von Herzen das Beste, dass es euch gut geht und dass ihr eine schu00f6ne und gesunde Zukunft vor euch habt.Vielen Dank, Tatiana.
Danke.Ich freue mich, dass ich lebe.
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