Alltag in der Reha-Klinik
Eine Rehabilitationsmaßnahme kann nach einer erfolgten onkologischen Therapie für die Betroffenen eine wertvolle Unterstützung sein. Viele Krebspatienten berichten davon, wie wichtig und hilfreich die Reha-Zeit für sie war und welchen positiven Einfluss dies auf den Genesungsprozess und das Leben mit dem Krebs hat.
In diesem Podcast sprechen wir mit Birte Schlinkmeier, Krankenschwester einer Reha-Klinik in Bad Oexen. Bei Ihrer Arbeit ist sie ganz nahe am Patienten und hat langjähre Erfahrungen. Im Interview kann sie daher einen sehr guten Eindruck vermitteln, welche Erwartungen der Gäste einer Rehabilitation erfüllt werden können und welche eher nicht. Auch spricht die Fachkrankenschwester für Brusterkrankungen darüber, welchen generellen Beitrag die Patienten leisten können und müssen, um den bestmöglichen Erfolg der Reha für sich zu erzielen.
Inhalt des Podcasts
Was ist Ihre Aufgabe hier in der Klinik?
Meine spezielle Rolle als Fachschwester für Brusterkrankungen und Selbsthilfebeauftragte ist natürlich die Betreuung der Patienten bei uns. Ich bin ja auch Krankenschwester, ich bin auch tätig auf Station und wir haben ein ganz, ganz tolles Programm gerade für die Brustkrebspatientinnen aufgebaut und Patienten und das begleite ich und das lebe ich jeden Tag. Das beinhaltet Vorträge, Einzelberatung, Schulung, BH-Beratung, Partner werden mit einbezogen. Und als Selbsthilfebeauftragte ist es meine Aufgabe, jedem Patienten, jeder Patientin die Selbsthilfe erstmal nahe zu bringen, natürlich zu erklären, was kann Selbsthilfe leisten.
Was erleben Sie beim Eintreffen der Gäste in der Klinik und welche Besonderheit einer onkologischen Reha können diese erwarten?
Die Anreise ist immer so, dass die Patienten oft sehr aufgeregt sind, weil sie ja gar nicht wissen, was auf sie zukommt. Rehabilitation und ein Klinikaufenthalt bedeutet ja nicht Urlaub, sondern da steht ja ein gewisses Programm und ein Konzept auch dahinter. Und immer wieder begegnet es mir gerade bei uns in der Klinik Bad Oexen, dass die Patienten nachher alle sagen, das hätte ich nie geahnt, dass das so schön sein kann, dass es mir im Anschluss so gut geht und diese Zeit so wertvoll für mich war. Und gerade eine onkologische Rehabilitation bedeutet eben auch, viel für die Psyche zu tun, viel wieder aufzuarbeiten, vielleicht auch Dinge noch von früher. Und dann ist es natürlich die ganze Sporttherapie, das Ernährungsprogramm, wo sie auch viele Sachen lernen, die sie vorher überhaupt gar nicht wussten.
Wie können Sie als Krankenschwester da unterstützen?
Ich denke, dass gerade ich als Krankenschwester da einen großen Einfluss drauf habe. Das beginnt natürlich mit den Gesprächen und die Begleitung in das Zimmer. Wir haben tatsächlich bei uns in der Klinik Bad Oexen extrem schöne Zimmer. Wenn die Patientin anreist oder der Patient, dann höre ich oft immer den Satz, das ist ja wie im Hotel hier. Ich denke aber, es sind letztendlich die Gespräche und spätestens, wenn der oder die angereiste Patientin bei uns, ja, andere kennenlernt und merkt, es ist-, hier sind alle gleich, alle haben die gleiche Erkrankung, alle haben Krebs, was in vielen Kliniken ja anders ist. Ja, da gibt es denn verschiedenen Krankheitsbilder und im Grunde genommen doch stehen alle irgendwo auf einer Ebene, egal, wie alt sie sind. Meistens ist es so, dass spätestens am Abend oder am nächsten Tag nach der Anreise die Patienten kommen zur Blutentnahme, zum Beispiel schon wirklich sehr gut zufrieden sind und auch sagen, ach das ist so schön hier, ich fühle mich jetzt schon unglaublich wohl hier in diesem Haus.
Bei onkologischen Erkrankungen ist der Altersunterschied der Betroffenen durchaus groß. Wie funktioniert Reha gleichzeitig mit jungen und älteren Menschen?
Bei uns in der Klinik Bad Oexen ist es so, dass wir viele bestimmte Alterskonzepte haben. Also das geht los bei den Kindern im Kinderhaus, sind unsere Jugendlichen, die regelmäßig anreisen dürfen, sind unsere jungen Erwachsenen und eben die Patienten, die, so wie ich, schon, in Anführungsstrichen, etwas älter sind. Und weil wir eben festgestellt haben, dass bestimmte Altersgruppen sich nicht so viel zu sagen haben und da gehen wir überall gezielt darauf ein, gerade wieder, was das dann angeht, wieder das Zurückfinden in das normal Alltagsleben, in das Berufsleben. Und da werden die Patienten bei uns ganz gezielt und ganz gesondert auch unterstützt.
Was ist das Besondere an Ihrem onkologischen Reha Konzept hier?
Wir haben speziell zu den einzelnen Erkrankungen ganz viele Programme aufgebaut, ob es jetzt für die urologischen Patienten ist, für die Darmkrebspatienten. Wir haben aber auch viele seltene Erkrankungen bei uns wie zum Beispiel Vulvakrebs, CML, die NET-Patienten und da haben wir überall einzelne Programme erstellt, sodass der Patient am Ende der Zeit das Gefühl hat, er ist genau dort abgeholt worden mit seiner speziellen Erkrankung. So haben wir ja auch vor Jahren das sogenannte Brustkrebsprogramm erstellt, weil wir eben gemerkt haben, die Therapie ist nicht zu Ende mit der Chemo, mit der Operation, mit der Bestrahlung, sondern viele, viele Probleme kommen ja erst hinterher. Und das würde ich schon als sehr, sehr einzigartig bei uns hervorheben wollen, weil, mein Kenntnisstand, wir da auch recht einzigartig sind. Das haben wir erarbeitet, das beinhaltet also von der ganzen Hautpflege, Schleimhautpflege über die Prothesen- beziehungsweise Epithesenversorgung, BH-Versorgung, wir schulen Partnerschaft. Sexualität ist ein ganz großes Thema bei uns. Noch zu erwähnen sind die Männer mit Brustkrebs, die bei uns immer zu bestimmten Zeiten als Gruppe anreisen dürfen, die auch alle speziell für sich als Mann geschult werden und nicht unter 100 Frauen einzeln da irgendwo sitzen.
Was sind die ersten Schritte nach der Ankunft der Patienten?
Es ist ja so, dass am Anreisetag die jeweiligen Ärzte die Patienten aufnehmen. Es findet ein sehr, sehr umfangreiches Aufnahmegespräch statt. Also da wird dann erstmal alles festgelegt, was es an Therapieangeboten gibt, dann wird ein Therapieplan erstellt. Genauso findet ein Gespräch statt mit dem Psychologen. Und hier wird dann erstmal erfasst, wo steht der Patient oder die Patientin, was sind unsere Aufgaben in diesem Fall, in drei, vier Wochen den Patienten möglichst gut zu begleiten, sodass er da auch ankommt, wo er ankommen will nach der Zeit.
Ist der Einstieg in den Reha-Alltag gewöhnungsbedürftig? Worauf muss man sich als Patient einlassen?
Man muss schon offen sein für neue Dinge und man muss auch einen gewissen Willen mitbringen, wieder, ich will jetzt nicht sagen das Wort gesund werden, das wäre Quatsch, ja, bei uns werden nicht alle Patienten wieder gesund, aber möglichst wieder Gewicht, zum Beispiel, zuzunehmen, sportlich wieder aktiver zu werden, sich aber auch über diese Krankheit zu informieren. Wir halten unglaublich viele Vorträge bei uns rund um das Krankheitsbild. Und, also ein gewisser Wille, einfach mitzumachen, sportlich aktiv zu sein, andere Menschen kennenzulernen, sich da einzubringen, der muss schon vorhanden sein. Ansonsten sehe ich das als sehr schwierig an, denn ja, es ist ja auch ein gewisses Pflichtprogramm, das gemacht werden muss.
Wie sieht denn so ein typischer Tag für den Patienten in der Reha aus?
Ich sage mal, morgens, denke ich mal bei so bei sieben Uhr, das Aufstehen. Dann beginnt ab halb acht unser Frühstück. Das ist natürlich auch ein gewisses so, da haben die einen gewissen Zeitrahmen, die müssen nicht alle pünktlich um halb acht in unserem Speiseraum sein zu den Mahlzeiten. Es gibt eine feste Sitzordnung und dann beginnt so der Therapieplan, ein Mix aus Vorträgen, Beratungen, aus Arztterminen, aus einem ganz, ganz großen Sportangebot. Wir haben aber auch gerade in den Abendstunden und Wochenendstunden ein sehr schönes Freizeitprogramm. Dann gibt es natürlich noch die Visiten, Blutdruck messen.
Passt denn das Programm zu den Erwartungen Ihrer Gäste oder welcher Einstellung stehen Sie da manchmal gegenüber?
Es ist häufig so noch im Kopf drin, ich muss mich ausruhen, dann werde ich gesund. Und das ist ja überhaupt nicht unser Ziel. Ich glaube, jeder, der auch mal krank war, weiß, wie schwer es wieder ist, Muskultur aufzubauen, wieder so ein bisschen Mut und Kraft zu schöpfen. Und das ist ja unsere Aufgabe und unser Ziel. Und ich glaube, gerade bei uns leben wir das auch sehr. Auch wir Schwestern begleiten dann diesen jenigen, dass er dann doch merkt, es bringt was, ja, wenn ich jeden Tag jetzt hier die Therapie und die Anwendung mitmache, vielleicht ein bisschen auch an Gewicht verliere. Das ist ja auch was, wenn jemand übergewichtig war. Und dann gibt es die, die kommen mit einer extrem großen Erwartungshaltung, haben vielleicht noch nie Sport gemacht und sagen sich, so, jetzt habe ich endlich drei Wochen und jetzt will ich hier mit aller Macht ein Sportprogramm durchziehen, was auch nicht funktioniert. Also das macht der Körper ja auch nicht mit.
Was können Ihre Gäste tun, um gleich zu Beginn eine gute Basis für das funktionieren der Reha zu schaffen?
Um unsere Anreisenden relativ schnell einschätzen zu können, Patienten müssen schon ehrlich beantworten, wo sie stehen, wo ihre Probleme sind, was auch ihre Wünsche und Ziele bei uns sind und da versuchen wir darauf einzugehen. Und einbringen können sie sich, indem sie da wirklich möglichst offen und ehrlich schon am Anreisetag sind, zum Beispiel auch bei dem Arztgespräch. Man kann ja nur mit einem Menschen arbeiten, wenn er relativ ehrlich und offen ist und natürlich auch das Ziel verfolgt, rehabilitiert zu werden.
Wie gehen Sie mit Gästen um, die nach längerer Zeit das zweite Mal zur Reha kommen und möglicherweise ganz andere Bedürfnisse haben als die, die ganz frisch aus einer Therapie kommen?
Bei Patienten, die das zweite Mal bei uns sind, wo also schon ein gewisser Zeitraum dazwischen war, die waren schon wieder arbeiten, die hatten wieder ihr ganz normales Leben, sind wieder ihren Hobbies nachgegangen, reisen dann an in einer onkologischen Klinik, aber häufig auch sagen, das brauchte ich nochmal. Damals war ich noch gar nicht so weit mit der Verarbeitung, da hatte ich noch viele andere Dinge, die mich beschäftigt haben. Jetzt erst, nach dem zweiten Mal, wo dann manchmal schon zwei Jahre fast vergangen sind, weiß ich richtig, wovon ich spreche. Ich muss dazusagen, bei uns gehen wir sehr da drauf ein, wo der Patient steht. Wir haben ein Angebot, das ist ja kein muss, zum Beispiel Gesprächskreise. Wenn eine Patientin zum Beispiel sagt, ich möchte das alles nicht, ich möchte mich hier nicht austauschen, das ist mir zu viel, von anderen zu hören, wie es denen geht, dann geht es mir noch schlechter, dann ist das kein muss.
Thema Sport: Für den einen ist es ein rotes Tuch, andere Patienten haben Lust an Bewegung. Wie handhaben Sie das bei sich in der Klinik?
Ich glaube, einige haben wirklich schon Angst davor, ja, tatsächlich, aber da gehen wir überall individuell drauf ein. Es ist das Alter, es ist einfach die Leistungsfähigkeit, das wird gleich zu Beginn ermittelt. Und häufig fahren wir dann auch nochmal ein bisschen zurück. Es kommen viele, reisen an und sagen, ich will jetzt nur Sport, Sport, Sport machen, das funktioniert nicht. Und das muss man alles individuell anpassen.
Wie funktionieren denn psychoonkologische Angebote bei Ihnen in der Klinik?
Schon am Anreisetag legt der Stationsarzt ja fest, wie hoch das Angebot ist, wo unsere Psychologen letztendlich dann auch ansetzen müssen. Vieles findet automatisch durch Vorträge statt, die also bei uns Pflichtveranstaltungen sind, wo es sehr viel um die Krankheitsverarbeitung geht, Angstbewältigung, Fatigue. Also das sind bestimmte Vorträge, die sich jeder anhören muss. Und dann gibt es natürlich die Gesprächsgruppen, die Einzelgespräche und das wird sehr, sehr gut angenommen.
Wie verlassen Ihre Gäste nach Abschluss der Reha möglicherweise Ihre Klinik, was hat sich für sie verändert?
Anders ist häufig die Einstellung zu sich selber, zu der Erkrankung, weil, nehmen wir uns als Beispiel, wir unglaublich viel Aufklärung betreiben, was überhaupt diese Erkrankung erstmal ausmacht, warum, weshalb, wenn man es überhaupt beantworten kann bei Krebs, ja. Aber die Einstellung zu der Erkrankung, natürlich steht im Vordergrund die körperliche Fitness möglichst wieder herzustellen, den Patienten zu animieren, weiter Sport zu betreiben, den Patienten in seinem Alltag so weit wieder herzustellen, darum gibt es bei uns zum Beispiel die sogenannte Ordnungstherapie. Das bedeutet nicht, dass sie lernen sollen, aufzuräumen und Ordnung zu halten, sondern ihr Leben zu ordnen.