Kinderaugen, Krebs & Erwachsenwerden
In einem Familiengefüge nimmt jeder bestimmte Funktionen und Rollen wahr. Durch eine Krebserkrankung kann dieses Gefüge auf den Kopf gestellt werden, sodass Angehörige zusätzlich neu gefordert sind.
Wie würden Sie die emotionale Belastung als Kind eines erkrankten Elternteils beschreiben?
Zurück zum Themen-Special "Angehörige"Es ist auf jeden Fall so, dass Kinder da ein gewisses Schutzschild haben und da in gewissen Zügen auch behütet sind, weil sie die Tragweite der Krankheit noch gar nicht erkennen können. Als Kind ist man in seinen Gedanken immer beim nächsten Schultag, beim nächsten Wochenende, den nächsten Herbstferien. Und die Verlustangst bricht natürlich zwischendurch immer wieder raus. Wenn dann zum Beispiel schlechte Nachrichten kommen, die Mutter am Weinen ist und am Esstisch sitzt und über irgendeinem Befund sich jetzt wieder den Kopf zerbricht und am Weinen ist. Dann realisiert man als Kind, es ist wieder irgendwas schief gegangen oder es ist eine schlechte Nachricht gekommen. Das Thema Verarbeitung kam erst deutlich später auf. Also ich würde sagen, im jugendlichen Alter zwischen 15 und 20. Da habe ich viel Musik gemacht. Musik war immer meine mentale Stütze. Und ich habe früher viel mich mit Philosophie beschäftigt, mit meinem Schlagzeuger, nachdem wir geprobt haben, gequatscht und ja, sehr viel über das Menschsein philosophiert und einfach auch über Themen wie Angst, Verlustängste, Zukunftsängste. Also auch als Angehöriger entwickelt man Ängste und Verlustängste, die sich dann auch gar nicht mehr verdrängen lassen, irgendwann. Man wird sich selber seiner eigenen Endlichkeit bewusst oder fürchtet irgendwelche Konsequenzen, dass man die nächste Abschlussprüfung im Studium nicht schafft, oder über die Jahre musste ich dann auch lernen, damit umzugehen und die Ängste zu konfrontieren und einfach zu sagen: Das ist jetzt gerade überhaupt nicht mehr angebracht, da in einem Angstzustand zu bleiben, sondern es sind einfach ganz normale Herausforderungen des Lebens.
Domenic Wenz