Hormonelle Veränderungen erkennen, verstehen, handeln
Im Fokus dieses Beitrags steht der Umgang mit hormonellen Veränderungen infolge onkologischer Therapien. Patientin Edyta Pilz berichtet eindrücklich von ihren Erfahrungen während einer Immuntherapie. Die Behandlung führt bei ihr zunächst zu einer akuten Schilddrüsenentzündung mit Überfunktion, die in eine ausgeprägte Unterfunktion übergeht. In der Folge entwickelt sie durch eine autoimmune Reaktion einen Diabetes Typ 1, da ihre Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produziert. Diese lebensbedrohliche Komplikation macht deutlich, wie schwer steuerbar manche endokrinologischen Nebenwirkungen moderner Krebstherapien sein können.
Edyta Pilz beschreibt, dass sie viele Symptome – wie Zittern, Haarausfall und Erschöpfung – zunächst selbst deuten musste und erst spät erkannt wurde, dass es sich um therapiebedingte hormonelle Störungen handelt. Trotz der Risiken entscheidet sie sich, ihre Behandlung fortzuführen, da sie keine anderen Therapieoptionen hat. Sie betont, wie wichtig eine offene Kommunikation mit dem ärztlichen Team ist, um Nebenwirkungen ernst zu nehmen, aber gleichzeitig Chancen auf Wirksamkeit nicht vorschnell aufzugeben. Ihre Botschaft: Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen und gute medizinische Begleitung können helfen, schwere Nebenwirkungen zu überstehen.
Dr. Maike Kollendt, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, ordnet die medizinischen Hintergründe ein. Immuntherapien aktivieren gezielt das körpereigene Immunsystem, um Krebszellen anzugreifen. Dabei kann es jedoch zu sogenannten autoimmunen Entzündungen kommen, bei denen das Immunsystem körpereigene Organe angreift – insbesondere Schilddrüse, Bauchspeicheldrüse, Leber oder Lunge. Diese Nebenwirkungen sind selten, aber potenziell gefährlich.
Dr. Kollendt erklärt, dass solche Komplikationen meist mit einer Schilddrüsenüberfunktion beginnen, die später in eine Unterfunktion übergeht. Ebenso kann eine autoimmune Reaktion der Bauchspeicheldrüse einen insulinpflichtigen Diabetes auslösen. Daher sei es entscheidend, regelmäßige Laboruntersuchungen – insbesondere von TSH- und Blutzuckerwerten – durchzuführen, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Wichtig ist zudem die langfristige Nachsorge, da Nebenwirkungen auch Monate nach Abschluss der Therapie auftreten können.
Neben Immuntherapien spricht Dr. Kollendt auch über antihormonelle Behandlungen, die bei Brust- oder Prostatakrebs häufig eingesetzt werden. Diese führen zu Hormonentzug und können Beschwerden wie Hitzewallungen, Gelenkschmerzen, Schlafstörungen oder Erschöpfung verursachen. Auch hier gilt: Jede Nebenwirkung sollte individuell bewertet werden. Es könne sinnvoll sein, Medikamente zu wechseln, Bewegung oder Akupunktur zu nutzen oder ergänzende Therapieansätze zu erwägen. Entscheidend sei, gemeinsam mit den Patienten den Nutzen der Therapie gegen die Belastung durch Nebenwirkungen abzuwägen.
Der Beitrag zeigt, wie eng medizinisches Wissen und persönliche Erfahrung zusammenwirken: Während Dr. Kollendt aufklärt, wie endokrinologische Nebenwirkungen entstehen und überwacht werden, macht Edyta Pilz deutlich, wie herausfordernd der Alltag damit ist – und wie wichtig es ist, Symptome ernst zu nehmen, Verantwortung für den eigenen Körper zu übernehmen und im Austausch mit dem Behandlungsteam zu bleiben.